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Die Zeit, in der Instandhaltung als notwendiges Übel betrachtet wurde, ist - sicher nicht nur in der Windenergiebranche - endgültig vorbei.

In der Windbranche gibt es einen entscheidenden Unterschied zur konventionellen Energiewandlung. Mit dem Kauf einer Windenergieanlage (WEA) hat ein Investor im Wesentlichen nur die Möglichkeit über die Optimierung der Betriebsführungs- und der darin enthaltenen Wartungs- und Instandhaltungskosten sein Ergebnis positiv zu beeinflussen. Entgegen den vom BWE in den frühen 2000er-Jahren veröffentlichten Annahmen können die Betriebskosten für Windenergieanlagen deutlich höher als erwartet ausfallen.

Wie kann man also die Wartung und Instandhaltung optimieren? Letztlich muss hierfür auf folgenden, offensichtlich miteinander verbunden Fragen, Antworten gefunden werden:

  1. Wie verdeutlicht man Investoren den enormen Stellenwert der Instandhaltung?
  2. Worin bestehen aktuelle und zukünftige Herausforderungen und Risiken?
  3. Wie sind die Zugänge zu notwendigen Ressourcen (Personal/ Ersatzteile/)?
  4. Was hat KI/AI mit Standardisierung und Digitalisierung zu tun?
  5. Welche Risiken und Chancen bergen technologischen Entwicklungen an den Windenergieanlagen?

Die Antworten auf diese Fragen können mithelfen, den Weg zu einem optimierten Instandhaltungsprozess zu finden und zu strukturieren.

 

HOFI Holger Fritsch
Autor

Holger Fritsch ist Geschäftsführer bei Bachmann Monitoring GmbH in Rudolstadt.

Zur ersten Frage „Investoren und deren Verhältnis zur Instandhaltung“, ist im ersten Abschnitt bereits indirekt auf Investitionsausgaben und Betriebsausgaben verwiesen worden.

Zu einem modernen Instandhaltungskonzept gehört unbedingt die Informationsgewinnung. Damit ist gemeint, dass jede Multi-Megawatt WEA über Systeme zur Zustandserfassung verfügen muss.

Darunter sind Systeme, die bereits viele Jahre bekannt sind, wie Condition Monitoring Systeme für die Zustandsüberwachung am Triebstrang.

Zukünftig werden aber aufgrund immer größer und komplexer werdender Strukturen - insbesondere der Rotorblätter, der (Hybrid-)Türme (mit Beton- und Stahlstrukturen) und der Fundamente - Systeme zur gesamtheitlichen kontinuierlichen Zustandserfassung gebraucht. Damit sind Structural Health Monitoring Systeme (SHM-Systeme) gemeint. Wenn Bauwerksstrukturen von massiven Schäden betroffen sind, besteht Gefahr für Leib und Leben sowie die Investition, wie aktuelle Beispiele zeigen. Mit den Messwerten aus SHM-Systemen lassen sich ungünstige Betriebszustände vermeiden und damit die dynamischen Lasten, die auf die Strukturen einwirken, signifikant reduzieren.

Sinnvoll ist hier ein holistischer Ansatz, um nicht für jede Monitoring-Aufgabe ein anderes Verfahren einsetzen zu müssen, oder zumindest einheitliche Interfaces, um Systeme effizient zu verbinden. Dies reduziert den großen Aufwand, viele unterschiedliche Mess-Systeme zu betreuen, um tatsächlich den erwarteten Nutzen aus den Informationen dieser Systeme zu generieren.

„Herausforderungen und Risiken“

Im Kern geht es um die Analyse, welche Dienstleistungen eine Organisation anbietet (z.B. die Kombination von Betriebsführung und Service) und im Instandhaltungsprozess zu bewältigen hat. Zu den Herausforderungen zählen z.B. verteilte Standorte, Typenvielfalt und der Personalmangel sowie ganz allgemein die strategische Ausrichtung der Organisation. Versteckte Risiken können in den Verträgen mit OEM lauern.

 

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Knappe Ressourcen bei Ersatzteilen, Personal und Dienstleistern

Die Problematik ist eng mit der Größe der Organisation und der Möglichkeit verbunden Skaleneffekte zu realisieren. Viele WEA eines bestimmten Typs im Service rechtfertigen möglicherweise eine Bevorratung kritischer Baugruppen. Im Umkehrschluss gilt: Je größer die Diversität der Anlagentypen ist und je weiter die Windparks voneinander entfernt sind, desto mehr Informationen sollten die Anlagen (über SCADA bzw. Mess-Systeme) liefern, um gezielte Serviceeinsätze planen zu können.

Die aktuelle Situation an den Märkten wird hier in naher Zukunft deutliche Änderungen erzwingen. Damit ist gemeint, dass aktuell Lieferketten umgebaut werden und Ersatzteile signifikant schwerer zur Verfügung stehen. Vorhandene Krankapazitäten werden überwiegend für den Neubau eingesetzt und notwendige Reparaturen werden voraussichtlich nicht mit der gleichen Priorität behandelt. Dies gilt ebenfalls für Getriebereparaturen, die sich logistisch nicht in einer ausgelasteten Serienproduktion unterbringen lassen.

Beim Personalbedarf zeitigt die demographische Entwicklung schon aktuell ihre Auswirkungen am Arbeitsmarkt. Es wird sicher zukünftig noch schwieriger werden, motiviertes Personal zu finden, welches auch die körperlichen Anforderungen auf längere Zeit erfüllt. Außerdem liegt es auf der Hand, dass eine dezentralisierte Energiewirtschaft ad hoc mehr Personal benötigt als eine zentralisierte Energieversorgung. Das führt auch sofort zur nächsten Frage:

Was hat KI/AI mit Standardisierung und Digitalisierung zu tun?

Der demografische Wandel forciert die Notwendigkeit zur Digitalisierung und den damit verbundenen Möglichkeiten, neue Technologien gewinnbringend einzusetzen. KI wird zukünftig einen großen Anteil daran haben, den Personalbedarf zu reduzieren und dennoch gleichzeitig ein größeres Portfolio effizient betreuen zu können. KI ist allerdings keine magische Zauberformel, sondern benötigt Rahmenbedingungen. Denn auch wenn man die Digitalisierung ohne Standardisierung umsetzen wollte, würde man schnell auf fast unüberwindbare Hürden treffen. Dies beginnt schon bei einer adäquaten Namensgebung der Dateien und der Festlegung einheitlicher Speicherorte. Denn sicher lässt sich KI wesentlich besser und erfolgreicher auf strukturierte Prozesse anwenden.

 

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Risiko und Chancen technologischer Entwicklungen an WEA

Die weiterhin beeindruckenden Steigerungen der Anlagenleistungen erzwingen ebenfalls den Einsatz neuer Technologien und zudem den Einsatz neuer Verfahren in der Fertigung. Für Anlagen mit Getriebe bedeutet dies, den Einsatz von Gleitlagerungen in den Fokus zu nehmen. Gleitlagerungen bieten erhebliche Kostenvorteile hinsichtlich des geringeren Materialeinsatzes aber auch hinsichtlich der Baugröße. Für die einwandfreie Funktion dieser Lagerungen ist allerdings die Beherrschung der Betriebsbedingungen eine wesentliche Voraussetzung, die mit den bisherigen einfachen Ablaufsteuerungen des jeweiligen OEMs nicht mehr adäquat abzubilden sind.

„Survival of the fittest“: Lieferanten müssen sich weiterentwickeln

Gleichzeitig ist damit die Chance verbunden, dass die Getriebelieferanten zu Systemlieferanten werden, die in der Lage sein werden, Softwaremodule mitzuliefern, die es - je nach Netz- und Marktsituation – erlauben, kontrolliert erzeugungsoptimierte oder lebensdaueroptimierte Fahrkurven zu wählen.

Damit liegt auf der Hand, zunehmend Bussysteme in den Anlagen einzusetzen, um eine Ankopplung der unterschiedlichen Komponenten und deren einfache Inbetriebnahme zu ermöglichen. Außerdem sollte sich dadurch der Verkabelungsaufwand deutlich reduzieren.

Die Herausforderung dieser Entwicklung besteht in der Frage, ob die Komponentenlieferanten der OEM (vom Rotorblatt bis zum Turm) die Kraft haben, zum Systemlieferant zu werden und die Frage wie sich die OEM gegenüber diesem Paradigmenwechsel verhalten. Sollte dieser Wandel nicht gelingen, werden zahlreiche Schwachstellen bis hin zu Serienschäden die Folge sein.

Es wird nicht um alten Wein in neuen Schläuchen gehen, sondern eher um „Survival of the fittest“.