Eine große Zahl der in Europa installierten Onshore-Windenergieanlagen ist älter als 15 Jahre. Bei der seinerzeit üblichen Auslegungsdauer von 20 Jahren laufen die Betriebsgenehmigungen in den kommenden Jahren aus. Müssen diese Anlagen stillgelegt werden? Oder haben sie das Potenzial für einen Weiterbetrieb? Diesen Fragen müssen sich Betreiber stellen. Bachmann hat Antworten.

Wirtschaftlicher Weiterbetrieb?

Mit Erreichen der in der Typenprüfung festgelegten Lebensdauer erlischt die Betriebserlaubnis einer Turbine. Was tun? Ersatzlos abbauen, oder eine neue errichten, idealerweise mit einer inzwischen verfügbaren höheren Leistung? Stichwort: Repowering. Behördliche Auflagen machen dies jedoch oftmals unmöglich oder erschweren es zumindest. Hinzu kommen Ressourcenengpässe und lange Lieferzeiten.

Damit drängt sich die Frage auf, ob eine Verlängerung der Lebensdauer (›Life Time Extension (LTE)‹) möglich ist, und welche Bedingungen den sicheren und wirtschaftlichen Weiterbetrieb der WEA erlauben. 

Gutachten zum Weiterbetrieb

Um einen Weiterbetrieb über den in der Auslegung beschriebenen Zeitraum hinaus zu erwirken, braucht es eine Weiterbetriebsgenehmigung. Das dazu notwendige Gutachten (›Bewertung und Prüfung auf Weiterbetrieb (BPW)‹) wird von akkreditierten Sachverständigen durchgeführt und setzt sich aus zwei Teilen zusammen: dem praktischen, welcher im Grunde einer bereits während des Betriebs in regelmäßigen Abständen durchgeführten ›Wiederkehrenden Prüfung (WKP)‹ entspricht. 

Der zweite, analytische Teil nimmt sich den Strukturen und standsicherheitsrelevante Komponenten an, welche altern, ohne dass man dies erkennen oder messtechnisch unmittelbar erfassen könnte. Stichwort: Ermüdung. »Analytische Gutachter ermitteln Lastzyklen, die das Material ›erfahren‹ hat, und berechnen daraus dessen Ermüdungszustand. In der Regel liegen aber keine Lastmessungen vor, dann müssen die Lastenrechner mit oftmals lückenhaften Betriebsdaten aus SCADA Systemen arbeiten und konservative Annahmen treffen«, verdeutlicht Marc Thomsen, Product Manager bei Bachmann Monitoring.

Obwohl dieser konservative Ansatz oftmals einen Weiterbetrieb unter Einhaltung von Anforderungen ermöglicht, bleiben Restlebensdauerpotenziale meist ungenutzt.

Potenziale vollständig nutzen

Diese Potenziale möchte Bachmann durch eine messdatengestützte analytische Bewertung im Zuge einer optimierten BPW heben – unter Verwendung von tatsächlich gemessenen Lastdaten anstelle standortspezifischer Lasten, die lediglich auf der Grundlage von SCADA-Daten geschätzt werden konnten.

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Lasten quantifizieren

Die externen Bedingungen werden auf Basis statistischer Größen berechnet, die unter anderem aus den vorhandenen Betriebsdaten der Anlage abgeleitet werden. Dazu gehören beispielsweise Richtungs- und Häufigkeitsverteilungen der Windanströmung und Turbulenzintensitäten. »Damit ist auch gesagt, dass eine solche Bewertung für jede Anlage individuell zu bestimmen ist«, hält Matthias Saathoff, Team Lead Loads & Lifetime Extension bei P. E. Concepts, den Leistungsumfang fest. Neben diesen Parametern wird ebenfalls die Häufigkeit kritischer Betriebszustände bewertet und in der Berechnung der Ermüdungslasten berücksichtigt.

»Da bei der normalen BPW die standortspezifischen Lasten nur auf Basis von relativ groben Modellannahmen über die Windbedingungen und die Funktionsweise der Anlagen abgeschätzt werden können, ergeben sich zwangsweise große Unsicherheiten, die mit hohen Sicherheitsfaktoren aufgefangen werden müssen«, sagt der Experte.

Unsicherheiten reduzieren

Durch eine messdatengestützte Betrachtung lassen sich Unsicherheiten reduzieren und vorhandene Design-Reserven optimal nutzen. »Genauer und damit sicherer wird man im Grunde nur, wenn man eine möglichst präzise Kenntnis der Realität hat, der die Anlage ausgesetzt ist«, gibt Marc Thomsen zu bedenken. »Erfasste Lastmessdaten verbessern dabei die Datengrundlage zur Bestimmung der parkspezifischen Lasten im Zuge der analytischen Weiterbetriebsprüfung.«

Vergangenheit antizipieren

Umso lückenloser man die Historie der Anlage messtechnisch aufzeigen kann, umso besser weiß man, wieviel Lasten sie ertragen hat, und umso genauer kann man im Prinzip in die Zukunft blicken und ihren Weiterbetrieb sichern. Da man aber nicht in die Vergangenheit messen kann, haben die Experten bei Bachmann und P. E. Concept nach Lösungen gesucht, mit deren Hilfe sich das von Saathoff verwendete Bewertungsmodell zur Strukturbewertung mit aktuellen Daten ›kalibrieren‹ lässt.

»Natürlich bilden Messdaten, welche erst zum Ende der Lebensdauer hin erhoben werden, nicht die gesamte Historie ab«, sagt Thomsen. Denn je länger man messe, umso dichter sei man an der Realität, umso präziser könne man abbilden, welchen Belastungen die Turbine wirklich ausgesetzt war. »An diesem Punkt müssen wir eben mit Kompromissen leben«, meint Thomsen. Selbst wenn man nur temporär, vielleicht über ein halbes Jahr Messdaten erheben würde, dann könne man die Vergangenheit zwar nicht vollständig reproduzieren oder rekonstruieren, aber es sei definitiv besser, als wenn man sich ausschließlich auf SCADA-Daten und theoretische Windmodelle stützen müsse.

Langlebige Sensorik

Ein Vorteil der hierfür eingesetzten Bachmann-Messtechnik ist, dass sie nicht nur sehr einfach und kostengünstig zu installieren, sondern überdies außerordentlich langzeitstabil ist: Da die Klebeverbindungen der Cantilever-Sensoren und das Sensorelement selbst nicht direkt im Kraftfluss sind, hat deren potenzielle Alterung keinen Einfluss auf das Messergebnis.

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Richtig aufbereitete Daten

Der ›Werkzeugkasten‹ der Bachmann Monitoring in der Strukturüberwachung ist umfangreich. Neben den Messmodulen zur Datenerfassung schätzen es Unternehmen wie P. E. Concepts, auf die Expertise der Bachmann-Ingenieure in der Datenaufbereitung zugreifen zu können: »Wir bekommen exakt das, was wir brauchen«, freut sich Mathias Saathoff, und ergänzt: »Wir müssen uns nicht irgendwie durch einen Haufen Messdaten wühlen, sondern erhalten diese so aufbereitet, dass wir relativ einfach unsere Lastenrechnungen damit ›füttern‹ können.«

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Life Time Extension

Mit dem Weiterbetrieb von Windenergieanlagen über deren vorgesehenes Lebensende hinaus lässt sich nicht nur das Tempo der Energiewende in Zeiten der Ressourcenknappheit aufrechterhalten. Er reduziert überdies den Abfall aus Stilllegungen und erhält den lokalen wirtschaftlichen Nutzen vorhandener Anlagen. 

Der gutachterlichen Beurteilung solcher Anlagen kommt deshalb eine große Bedeutung zu. Je präziser die Grundlagen sind, auf denen Sachverständige ihre Analysen abstützen können, desto leichter und zuverlässiger können sie Potenziale identifizieren, die einen Weiterbetrieb der Anlage möglich machen.

»Insgesamt liefern wir damit eine schlanke und kostenoptimierte Lösung, die sich gerade auch für die Ausrüstung älter und kleinerer Anlagen anbietet«, hebt Marc Thomsen hervor. »Sie lässt sich mit geringem Aufwand, beispielsweise im Zuge der praktischen Weiterbetriebsprüfung durch den Gutachter, installieren. Und gleichzeitig schafft sie eine höhere Sicherheit im überwachten Weiterbetrieb.«

Beitragende

Marc Thomsen
Product Manager, Bachmann Monitoring GmbH

Matthias Saathoff
Team Lead Loads & Life Time Extension, P.E. Concepts GmbH